Offboarding – die vielfach unterschätzte, graue Maus der modernen Personalarbeit

Offboarding – die vielfach unterschätzte, graue Maus der modernen Personalarbeit

Professionelles Onboarding gehört in modernen Personalabteilungen mittlerweile genauso zum kleinen Ein-mal-Eins der täglichen Arbeit, wie die Lohn- und Gehaltsabrechnung oder das Personalcontrolling. Einarbeitung nannte man das früher auf Deutsch. Wobei nun das Augenmerk deutlich stärker auf der sozialen Integration des Neuankömmlings im Unternehmen ruht und die fachliche Einarbeitung eine Selbstverständlichkeit geworden ist. Neue Mitarbeiter sollen sich von Minute eins an wohl- und willkommen fühlen, bekommen individuelle Ansprechpartner an die Seite gestellt und sind  -im Idealfall – von Beginn an Teil der Gemeinschaft.

So weit, so gut. Professionalisierung der Betreuung beim Einstieg ins Unternehmen ist also ein Muss in der Klaviatur der Aufgaben von HR. Aber was ist mit der professionellen Begleitung der Phase, die am Ende der Beschäftigung steht? Was ist mit dem vielfach unterschätzen und vernachlässigten Offboarding, zu Deutsch Austrittsmanagement?

Auch Ex-Mitarbeiter sind Markenbotschafter

Ganz gleich, ob der, das Unternehmen verlassende Mitarbeiter selbst gekündigt hat, das Ruhestandalter erreicht ist, oder eine Kündigung seitens des Unternehmens Grund der Trennung ist – ein Austritt ist nicht der Moment, in dem man als Unternehmen die Hände in den Schoss legen darf. Im Gegenteil!Besonders hier können Unternehmen ihre ganze Professionalität und Modernität in der Personalarbeit unter Beweis stellen.Gerade für Firmen, die sich mühselig eine überzeugende Employer Brand aufgebaut haben und diese Arbeitgebermarke auch pflegen, ist es keine Kann-Aufgabe, sondern ein absolutes Muss!Denn auch der austretende Mitarbeitende ist – wie die übrige Belegschaft- Markenbotschafter des Unternehmens und wird nach allgemeiner Lebenserfahrung über seine Erlebnisse und den Umgang mit ihm nach der Kündigung in seinem näheren und weiteren Umfeld berichten. Insbesondere wenn ein verdienter Mitarbeiter sich entschieden hat zu gehen, ist es nicht hilfreich, sich beleidigt abzuwenden und im schlimmsten Fall noch einmal ordentlich nachzutreten. Wertschätzung darf nicht im Zeitpunkt der Kündigung aufhören!

Wichtig ist, nicht nur, aber besonders dann, wenn ein besonderer Leistungsträger oder jemand, der eine exponierte Schlüsselposition bekleidet, geht, das Gespräch zu suchen und einen geordneten Austrittsprozess anzustoßen.

Das „Warum“ erfahren und verstehen

Von elementarer Bedeutung ist zu erfahren, warum die Entscheidung für die Kündigung gefallen ist? Um als Unternehmen eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, ist es sinnvoll, mit dem betreffenden Mitarbeiter  ein strukturiertes Austrittsgespräch zu führen. Nur so kann ein Unternehmen in Erfahrung bringen, ob die Motivation für diese Entscheidung seitens des Unternehmens hätte beeinflusst werden können. Fehlten Karriereperspektiven, mangelte es an Weiterbildung, hat es im direkten Umfeld geknirscht oder haben sonstige Störfaktoren die Kündigungsentscheidung maßgeblich beeinflusst. Bekommt man ein ehrliches und offenes Feedback, kann man die benannten Punkte prüfen und schauen, ob an der einen oder anderen Stellschraube gedreht und künftigen negativen Entwicklungen so rechtzeitig entgegengewirkt werden kann.

Klares Ziel dabei: Weitere Abgänge verhindern! Das kann sich in Zeiten des „War for talents“ nämlich kaum ein Unternehmen leisten. Bekundet der scheidende Mitarbeiter Gründe, die originär nichts mit dem Unternehmen zu tun haben -Klassiker: Orts- und Jobwechsel der Liebe wegen- so ist auch dieses Feedback etwas, womit gearbeitet werden kann. So kann ein schaler Beigeschmack der Kündigung vermieden werden, der sich sonst schnell bildet, wenn man unternehmensseitig mangels Kommunikation bei den Kündigungsgründen im Trüben fischt und sich dann basierend auf Flurfunk und Vermutungen ein Bild zusammenreimt, das nicht den Tatsachen entspricht.

Unternehmenskultur und Offboarding

Im Zuge eines Austrittsgesprächs ist von zentraler Bedeutung, dass unternehmensseitig klar deutlich gemacht wird, dass man aufrichtiges Interesse an einem ehrlichen, kritischen Feedback hat. Hierfür ist eine Unternehmenskultur, die sich auf Basis von Werten, wie Vertrauen und Offenheit etabliert hat, hilfreich. Existiert diese nicht, so ist es sicherlich schwieriger, aber umso wichtiger das Gespräch wertschätzend zu führen und dem Mitarbeiter glaubhaft zu signalisieren, dass sein Feedback und seine offene Kritik keinen Einfluss auf das Arbeitszeugnis oder die Gestaltung der weiteren Zusammenarbeit bis zum endgültigen Austritt haben werden. Nur dann können Unternehmen auf Rückmeldungen hoffen, mit denen sie wirklich arbeiten können.

Ein strukturiertes Austrittsgespräch kann in Sachen Unternehmenskultur überdies positive Strahlkraft entfalten. Das gilt gerade dann, wenn derlei Dinge sonst totgeschwiegen und offene Kommunikation nicht üblich war. Allein das Angebot eines Austrittsgesprächs kann für die übrige Belegschaft ein Signal sein, dass im Unternehmen ein Kulturwandel im Beginnen ist, von dem alle Seiten profitieren können. Eine Chance, die man nicht ungenutzt verstreichen lassen sollte.

Nicht zu vergessen!

Technisch und organisatorisch sind bei einer arbeitnehmerseitigen Kündigung naturgemäß einige Dinge zu regeln. Stichworte sind Kündigungsbestätigung, Klärung finanzieller Fragen, Datensicherheit (Zugriffsrechte auf die IT, aber auch Hardware wie Schlüssel oder Zugangskarten), Dienstwagenregelung, Arbeitszeugnis, Kommunikation intern und extern sowie auch die mögliche Nachbesetzung der entstehenden Vakanz.

Und wenn der Arbeitgeber kündigt?

Auch bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung oder dem Auslaufen eines befristeten Arbeitsverhältnisses, sollte ein definierter und klar strukturierter Prozess konsequent durchgeführt werden.

In besonderen Fällen kann dem betroffenen Mitarbeiter seitens des Unternehmens eine professionelle Begleitung im Rahmen einer individuellen Outplacement-Beratung angeboten werden. Unterstützung in kleinerem Umfang kann man dem Gekündigten auch schon dadurch anbieten, dass man ihn bei anstehenden Vorstellungsgesprächen kurzfristig und unkompliziert freistellt. Zudem ist auch hier ein strukturiertes Austrittsgespräch wichtig, um dem Mitarbeiter die Chance zu geben, sich äußern und Stellung beziehen zu können.

Mit Blick auf das Employer Branding ist dies nicht nur hilfreich, sondern geboten. Man sollte als Unternehmen nicht den Fehler machen, leichtfertig zu unterschätzen, das auch die bleibende Belegschaft mitbekommt, wie man mit den Gekündigten umgeht. Wer sich in einer solchen Situation – so schwierig es im Einzelfall auch sein mag – in authentischer Weise als fairer und trotz allem wertschätzend agierender Arbeitgeber  zeigt, oder dies zumindest ernsthaft versucht, hat nicht nur seinen möglichen Beitrag zu einer Trennung im Guten erbracht, sondern auch dem Rest der Belegschaft signalisiert, dass man nicht zu den Unternehmen zählt, bei denen Stellen nach Gutsherrenart ohne Rücksicht auf Verluste einfach so aus dem Stellenplan rasiert werden.

Ob eine wertschätzende Unternehmenskultur nachhaltig gelebt wird, zeigt sich in seiner ganzen emotionalen Bandbreite nämlich in genau diesen schwierigen und unschönen Momenten und nicht bei launigen Firmenfesten oder in wirtschaftlichen Boom-Phasen.

Nach Erfahrung der Dr. Schwerdtfeger Personalberatung ist Offboarding ein Thema, bei dem immer der Einzelfall betrachtet und die definierten Prozesse dementsprechend angepasst werden müssen.

Wir empfehlen daher: Wer als Unternehmen sauber agiert, Kommunikation anbietet und Wertschätzung erlebbar macht, der schafft es vielleicht auch, die Tür zum Mitarbeiter offenzuhalten und wer weiß, es wäre nicht das erste Mal, dass ein Mitarbeiter nach einer Beschäftigung in einem anderen Unternehmen zurückkehrt, oder man die in Folge wirtschaftlicher Schwierigkeiten gekündigten Mitarbeiter, wenn es wieder bergauf geht, wieder einstellt.

Mit einem professionellen Offboarding legt man hierfür im Idealfall die beste Basis!

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