Karriere machen auf dem Land – ein Wettbewerbsvorteil?

Das Leben und Arbeiten auf dem Land klingt für viele Hochschulabsolventen, wenn Sie frisch aus der Uni kommen, erst einmal unattraktiv. Die Provinz wird häufig nämlich u.a. mit einer schlechten Infrastruktur, einem ausbaufähigen kulturellen Angebot und eingeschränkten beruflichen Auswahlmöglichkeiten verbunden. Nachdem man sich jahrelang während des Studiums in meist einer größeren Stadt  daran gewöhnt hatte, nachts um 11 im Supermarkt an der Ecke noch eine Pizza bekommen zu können, sich spontan für den Besuch eines Theaterstücks entscheiden oder beim Verpassen eines Busses 2 Minuten später den nächsten nehmen zu können, will man beim anschließenden Start in den Beruf ungern auf diese Annehmlichkeiten verzichten. Die Folge: Viele junge Fachkräfte bleiben im urbanen Umfeld und ziehen es gar nicht erst in Erwägung, sich auf dem Land nach einem Job umzusehen. Dabei bietet das Leben und Arbeiten auf dem Land teils entscheidende und nicht zu vernachlässigende Vorteile.

Leben im Grünen: Gut für Gesundheit, Seele und Geldbeutel

Redet man über die Vorteile der Provinz gegenüber dem städtischen Leben, muss zuallererst die grüne Umgebung genannt werden. Smog wird durch saubere Luft ausgetauscht, Verkehrslärm, Sirenengeheule, und der Baustellenkrach vor der Tür durch Vogelgezwitscher und ansonsten: Ruhe. Auf dem Land kommt man runter, kann sich nach einem stressigen Bürotag entspannen und die Seele baumeln lassen. Alles ist beschaulicher und entschleunigt, was für viele gerade in Zeiten, in denen alles immer schneller und hektischer wird, eine willkommene Abwechslung darstellt. Die kulturellen Angebote sind zwar oft recht spärlich, doch bietet einem die Umgebung andere tolle Freizeitmöglichkeiten: Lange Spaziergänge, Wanderausflüge, ausgedehnte Fahrradtouren oder im Sommer einen Tag am Baggersee verbringen – wofür viele extra in den Urlaub fahren, kann man als Bewohner ländlicher Regionen häufig direkt vor der Haustür unternehmen. Und auch gerade in Zeiten von Corona und Lockdowns, wird man die Möglichkeit, draußen problem- und maskenlos herumlaufen zu können, zu schätzen wissen. Neben der Nähe zur Natur gibt es allerdings noch weitere Vorteile: Im Gegenzug zur oft in der Stadt kritisierten Anonymität, wo man häufig nicht einmal die Personen kennt, die im selben Haus wohnen, erlebt man auf dem Dorf in der Regel einen größeren Zusammenhalt und ein Gefühl von Gemeinschaft. Man grüßt sich auf der Straße, es gibt gemeinsame Feste und Aktionen und wenn man mal Hilfe braucht, ist es selbstverständlich, dass der Nachbar kurz mit anpackt. Zuletzt gibt es ebenfalls in puncto Lebenserhaltungskosten Vorzüge: Während die Mietpreise in Großstädten zur Zeit explodieren und man sich in Großstädten vielleicht gerade mal eine 2-Zimmer-Wohnung leisten kann, bezahlt man mit dem gleichen Geld auf dem Dorf die Miete für ein ganzes Haus mit Garten. Einen beispielhaften Vergleich liefert der kürzlich veröffentlichte Marktbericht für das Oldenburger Münsterland der Dr. Schwerdtfeger Immobilienberatung GmbH. Die Immobilienberatung hat sich mit den Preisentwicklungen im Oldenburger Münsterland auseinandergesetzt und einen Lebenshaltungskostenvergleich zwischen Hamburg und den regionalen Mittelzentren Cloppenburg und Vechta aufgestellt. Im Ergebnis zeigt sich, dass das Leben im Oldenburger Münsterland um etwa 40 % günstiger ist als in der Stadt Hamburg. Das ist nicht zuletzt für junge Familien sehr attraktiv.

Vergleich Lebenshaltungskosten Oldenburger Münsterland vs. Hamburg, © Dr. Schwerdtfeger Immobilienberatung GmbH

Unternehmen auf dem Land werben um Fachkräfte

Der Fachkräftemangel ist mittlerweile überall in Deutschland spürbar, aber ganz besonders in ländlicheren Regionen. Nicht nur Ärzte, IT-Experten und Ingenieure werden händeringend gesucht, auch andere gut ausgebildete Führungskräfte und Fachspezialisten innerhalb der Agrarindustrie sind zur raren Ware geworden. Da Unternehmen auf dem Land um die Schwierigkeit wissen, gute Arbeitskräfte zu gewinnen, wird mittlerweile vielerorts versucht, den standortbedingten Nachteil durch ganz besonders attraktive Benefits auszugleichen: Umzugshilfe, Essenskostenzuschüsse, kostenlose Sportkurse oder Betreuungsmöglichkeiten für Kinder stellen nur eine geringe Auswahl der Angebote dar, mit denen man versuchen wird sie zu umwerben.

Hidden Champions als attraktive Arbeitgeber

Zwar findet man auf dem Land mit wenigen Ausnahmen keine großen Konzerne, doch dafür umso häufiger sogenannte Hidden Champions: Mittelständische Unternehmen, die in Nischenmärkten marktführend sind. Durch fehlende Öffentlichkeitsarbeit meist eher unbekannt, stellen sie aufgrund zahlreicher Faktoren attraktive Arbeitgeber dar: Hierarchien in mittelständischen Unternehmen sind in der Regel recht flach, was kurze Kommunikationswege bedeutet. Da sie außerdem oft inhabergeführt sind, können Entscheidungen sehr viel schneller gefällt werden, was Innovation und Flexibilität ermöglicht und daher vor allem im digitalen Zeitalter einen Vorteil darstellt. Als Berufseinsteiger im Mittelstand hat man außerdem die Möglichkeit, in viele verschiedene Aufgabenbereiche reinzuschnuppern und Erfahrungen zu sammeln, schon früh Verantwortung zu übernehmen und, wenn man überzeugt, auch aufzusteigen. Durch die geringere Mitarbeiterzahl als in Konzernen, ist die Unternehmenskultur darüber hinaus in der Regel persönlicher und man ist nicht nur als Nummer, sondern mit Namen bekannt.

Leben und arbeiten in der Provinz wirkt also im ersten Moment für Viele vielleicht etwas abschreckend. Auf den zweiten Blick birgt es aber doch einige Vorteile, die einem möglicherweise noch gar nicht bewusst waren. Hat man sowieso Lust auf Leben auf dem Land, so sollte man das nutzen und sich dort auf die Suche nach neuen Aufgaben und Herausforderungen machen. Die Aussichten sind hier gerade für gut ausgebildete Fachkräfte hervorragend. Doch auch wenn man sich sonst immer für ein Stadtkind gehalten hat, könnte es sich lohnen, über einen Wechsel von urban zu rural nachzudenken. Vielleicht bieten sich ja ungeahnte Karrierechancen an.