Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall – Einheit des Verhinderungsfalls

Immer wieder gibt es Situationen, in denen Arbeitgeber hinsichtlich ihrer Zweifel an dem tatsächlichen Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit einerseits und der Beweiskraft einer Arbeitsunfähigkeit andererseits geradezu verzweifeln. Fühlen sich doch Arbeitgeber häufig vorgeführt von Arbeitnehmern, die über Facebook fröhliche Urlaubsbilder posten und gleichzeitig eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in den Betrieb schicken, oder auch von Arbeitnehmern, die mehrfach hintereinander nach jeweils sechs Wochen erneute Erstbescheinigungen einreichen.

Gerade im letztgenannten Fall ermuntert die Entscheidung des BAG vom 25.05.2016 zum Az. 5 AZR 318/15 aber zu einem genaueren Hinsehen.

Schon 1967 entwickelt das BAG den Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalles. Diesem Grundsatz liegt die Erwägung zugrunde, dass die 6-Wochen-Frist, innerhalb derer der Arbeitnehmer in Abweichung vom allgemeinen Schuldrecht aus sozialen Gründen das Arbeitsentgelt trotz Nichtleistung der Arbeit erhalten soll, nicht an die Krankheit, sondern an die Arbeitsverhinderung anknüpft. Deshalb komme es nicht darauf an, ob den Arbeitnehmer während einer krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung „ein neues Unglück treffe“.

Demzufolge ist nach dem Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalles der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Absatz 1 S. 1 EFZG auf die Dauer von sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht damit nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, indem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führt.

In dem zu entscheidenden Fall konnte der Beginn der erneuten Erkrankung nicht aufgeklärt werden. Der Arbeitnehmer war für sechs Wochen wegen eines lumbalen Facettensyndroms arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Arbeitsunfähigkeit endete an einem Sonntag. An dem vorhergehenden Freitag hatte der Kläger noch einmal seinen Hausarzt aufgesucht, der sich notiert hatte „Schulterschmerzen nehmen zu. Am Montag geht er zum Orthopäden“. Der Hausarzt sah sich nicht in der Lage, die Arbeitsunfähigkeit wegen der Schulterschmerzen beurteilen zu können. Am Montag war der Kläger dann tatsächlich beim Orthopäden, der den Arbeitnehmer ab Montag krankschrieb. Weil aber nicht aufgeklärt werden konnte, ob der Kläger schon am Freitag arbeitsunfähig war – also während der noch bestehenden Arbeitsunfähigkeit wegen des lumbalen Facettensyndroms -, konnte der Kläger keine erneute Entgeltfortzahlung verlangen.

Das Bundesarbeitsgericht sah den Kläger in der Beweispflicht dafür, dass die erneute Erkrankung erst aufgetreten war, als die alte schon abgeklungen war. Diesen Beweis konnte der Kläger nicht führen.

In Fällen, in denen „Arbeitsunfähigkeitszeiträume“ aneinanderstoßen, lohnt es sich also durchaus, noch einmal genauer hinzusehen. Nicht der Arbeitgeber muss beweisen, dass die jeweiligen Krankheiten bzw. genauer Arbeitsunfähigkeitsgründe und Zeiträume überlappen, sondern der Arbeitnehmer muss beweisen, dass er zwischenzeitlich arbeitsfähig war.

Quelle: Arbeitgeber Verband Oldenburg e.V.,Schmedding, Assessor