Globale Trends der Personalbeschaffung – Hat das klassische Vorstellungsgespräch bald ausgedient?

Globale Trends der Personalbeschaffung – Hat das klassische Vorstellungsgespräch bald ausgedient?

„Interviews sind für die Auswahl eines Kandidaten genauso nützlich wie das Münzwurfspiel“, so Richard Nisbett, Professor der Sozialpsychologie an der Universität Michigan, einst in einem Interview mit der Zeitschrift ‚The Guardian‘.

Wie aussagekräftig sind also traditionelle Bewerbungsverfahren in einer Welt, geprägt von sich permanent verändernden Märkten, neuen Technologien und rasanter Internationalisierung? Ist es an der Zeit unsere Verfahren im Recruiting zu überdenken oder sogar zu revolutionieren?

Eine von LinkedIn Talent Solutions veröffentlichte Studie befasst sich mit dieser Fragestellung und stellt fest: Es muss Schluss sein mit einstudierten Antworten.

Damit eine Firma sowohl die sozialen Fähigkeiten, als auch die tatsächlichen Schwächen der Bewerber erkennen kann, benötige es neue Techniken. Techniken, die den wahren Charakter des Kandidaten offenbaren.

Reden oder Handeln Sie lieber? Ist es Ihnen unter Zeitdruck wichtiger den Termin einzuhalten oder auf Sorgfältigkeit zu achten? Solchen Fragen unterziehen sich Bewerber in der ersten von LinkedIn Talent Solutions vorgestellten Technik, der „Soft-Skill Assessments“-Methode. Bei diesem Verfahren werden in einer 20-minütigen Studie die sozialen Kompetenzen, wie Kommunikationsfähigkeit, Belastbarkeit und Teamfähigkeit gemessen, wodurch die Firmen die tatsächlichen Fähigkeiten der Bewerber besser erkennen können. Zusätzlich profitieren auch die Kandidaten, da diese ein Feedback bezüglich ihrer Top-Fähigkeiten erhalten.

Dass nicht nur das Unternehmen, sondern auch der Bewerber gewinnt, ist ebenfalls bei der Technik der „Video Interviews“  festzustellen. Das Start-up Unternehmen Talent Cube aus München hat es sich beispielsweise zum Ziel gesetzt, die Video-Bewerbung als neuen Bewerbungsstandard zu etablieren, um Personalverantwortlichen sowie Jobsuchenden das Leben zu vereinfachen. Da der Bewerber in 15-20 Minuten vier bis fünf Fragen in einem standardisierten Video beantwortet und ihm zur Vorbereitung der jeweiligen Antworten lediglich 30 Sekunden verbleiben, stellt dieses Verfahren eine für das Unternehmen außerordentlich zeiteffiziente Methode dar. Im Vergleich zum traditionellen Bewerbungsgespräch kann eine Zeitersparnis von bis zu 75% erzielt werden. Und auch der Kandidat spart erheblich viel Zeit ein, da ihm jeglicher Reiseaufwand erspart bleibt. Das Unternehmen kann hunderte Kilometer entfernt sein, während der Bewerber das Interview aus seinen eigenen vier Wänden führen kann.

Seine vier Wände verlassen muss man hingegen bei der Methode der „Job Auditions“. Beim Ausprobieren der angestrebten Tätigkeit lösen Kandidaten reale Geschäftsprobleme, sodass das Unternehmen eine realistische Einschätzung der Leistungsfähigkeit gewinnen kann. Ein NFL Coach entscheide sich schließlich auch für den Spieler, der  den Football am besten fängt und nicht für den Spieler mit der eindrucksvollsten schriftlichen Bewerbung. Vorteil dieses Verfahrens ist, dass auch die Kandidaten einschätzen können, ob die Tätigkeit und das Unternehmen ihren Vorstellungen entsprechen.

Diesen Vorteil bringen „Meetings in casual Settings“ zwar nicht mit sich, dafür aber ganz andere reizvolle Erlebnisse. So macht die Daimler AG mit Kandidaten einen Car-Talk während einer Spritztour im Mercedes und der CEO der Charles Schwab Corporation geht  mit seinen Bewerbern frühstücken.  Letzterer ist nämlich der Ansicht, dass es wichtiger sei dem Kandidaten in das Herz zu schauen, als nur in den Kopf. In einer zwanglosen Umgebung sei dies besser möglich, da Bewerber in einer natürlichen Umgebung gelassener seien.

Sozialkompetenz gewinnt im Zusammenhang mit Personalbeschaffung zunehmend an Bedeutung, weswegen die Anwendung der vorgestellten Methoden im Bewerbungsprozess berechtigt ist. Der Fokus liegt dabei nicht auf dem bisherigen Werdegang des Kandidaten, sondern auf  dem gegenwärtigen Auftreten. Laut der beschriebenen Studie von LinkedIn Talent Solutions basiere die Einstellungsentscheidung somit auf dem Potenzial des Kandidaten und nicht rein auf gesammelten Erfahrungen.

Allerdings ist zu hinterfragen, ob ein solcher Fokus für die Besetzung von Fach- und Führungspositionen ausreicht. Branchenkenntnisse und ausreichende Berufserfahrung werden dabei vorausgesetzt. Ob diese jedoch vorliegen, kann lediglich im persönlichen Gespräch herausgestellt werden.

Die Erfahrung der Dr. Schwerdtfeger Personalberatung zeigt, dass es einer Kombination aus klassischen Auswahlverfahren und Verfahren zur Messung der sozialen Kompetenzen bedarf, um den optimalen Kandidaten zu identifizieren. Daher setzen wir neben klassischen Vorstellungsgesprächen auch auf personaldiagnostische Verfahren.

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