Lange Zeit standen lediglich Profit und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens im Vordergrund dessen Schaffens. Alles wurde danach ausgerichtet, wie noch mehr Umsatz im nächsten Geschäftsjahr erwirtschaftet werden kann. Doch in den letzten Jahren hat diesbezüglich ein Umdenken stattgefunden. Das Bedürfnis nach finanzieller Sicherheit ist weitestgehend gesättigt und vor allem junge Arbeitnehmer der Generation Y und Z, die in Zeiten des Wohlstandes aufgewachsen sind, wünschen sich mittlerweile mehr von ihrem Arbeitgeber als ein gutes Gehalt, Bonuszahlungen oder einen Dienstwagen. Der Job soll sinnstiftend sein und einem höheren Zweck dienen. Man will die Möglichkeit erhalten, sich durch seine Arbeit selbst zu verwirklichen und einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten. Kurz: Das Unternehmen, für das man tätig ist, soll einen Purpose haben. Tatsächlich sind jüngere Generationen bereit dazu, für Sinnhaftigkeit auf einen Teil ihres Gehalts zu verzichten und sich überdurchschnittlich stark zu engagieren. Höchste Zeit also, sich mit dem Thema näher zu beschäftigen.
Purpose: Was genau ist das?
Der Begriff Purpose schwirrt nun bereits seit einigen Jahren in der Wirtschaftswelt umher und ist trotz allem immer noch nicht richtig greifbar. Ein adäquates deutsches Wort gibt es dafür nicht, auch wenn die Übersetzung „Zweck“, „Ziel“ und „Bestimmung“ schon erahnen lässt, um was es in etwa geht. Will man den Begriff Purpose mit einem Wort umschreiben, lautet dieses: „Warum?“. Warum gibt es das Unternehmen, was ist dessen Daseinsberechtigung über den eigenen Profit hinaus? Was leistet es für einen Beitrag an die Gesellschaft, die Menschen, die Umwelt, den Planeten? Dabei sind nicht Spendenaktionen für gute Zwecke gemeint, die zwar löblich, aber von der eigentlichen Arbeit des Unternehmens losgelöst sind. Der Purpose eines Unternehmens, d.h. der Corporate Purpose, muss in die Wertschöpfungskette mit eingebunden sein, der Erfolg des Unternehmens muss automatisch mit einem positiven Effekt für das Gemeinwohl einhergehen. Jede Entscheidung, jedes Handeln muss am Purpose ausgerichtet sein. Somit stellt dieser keinesfalls ein Marketingkonzept dar, sondern eher eine Unternehmensphilosophie, eine neue Art des wirtschaftlichen Handelns, mit dem man neben Gewinnstreben Verantwortung für die in unserer Zeit wichtigen Themen wie soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz und Nachhaltigkeit übernimmt.
Auch in unserer täglichen Arbeit in der Personalberatung nehmen wir die Folgen dieses Trends wahr. Besonders jüngere Kandidaten äußern immer mehr den Wunsch nach einem Arbeitgeber, der sich in puncto Nachhaltigkeit und Tierwohl engagiert. Unternehmen, die der Agrar- und Ernährungsindustrie zugehörig sind, werden kritisch geprüft und scheiden bei manchen Kandidaten aufgrund eines fehlenden Purpose mitunter von vornherein aus – egal wie attraktiv die sonstigen Arbeitsbedingungen sind.
Warum sollte man als Unternehmen einen Purpose implementieren?
An erster Stelle steht bei den Argumenten für einen Purpose, was diesen per Definition ausmacht: Ein Mehrwert für die Menschen, die Gesellschaft, den Planeten. Je nach unternehmenseigenem Schwerpunkt entfallen die positiven Konsequenzen auf einen anderen Bereich. Doch darüber hinaus hat auch das Unternehmen selber davon entscheidende Vorteile: Ein Purpose kreiert ein gemeinsames Ziel, hält ein Team zusammen, schafft etwas, wofür es sich tagtäglich lohnt zur Arbeit zu kommen – nicht nur, um seine Stunden zu absolvieren und Geld zu verdienen, sondern um am Abend nach Hause gehen zu können mit dem Gefühl, etwas Sinnvolles gemacht zu haben. Dies führt nicht nur dazu, dass Mitarbeiter motivierter sind und langfristig im Unternehmen bleiben, sondern strahlt nach außen und kann wie ein Magnet auf neues, qualifiziertes und engagiertes Personal wirken. Und auch in finanzieller Hinsicht lohnt sich das Agieren nach einem definierten Purpose: In aktuellen Studien zeichnet sich ab, dass Organisationen mit einem Purpose innovativer und produktiver sind und ein höheres Umsatzwachstum verzeichnen. Das verwundert nicht: Nur wenn man als Mitarbeiter für das, was man macht, brennt und weiß, wofür man es tut, kann man sein volles Potenzial entfalten, ist viel effizienter und leistet mehr. Auch als Kunde und Konsument hat man ein besseres Gefühl dabei, Geld in Produkte und Dienstleistungen zu investieren, die einen Mehrwert für die Gesellschaft oder die Umwelt versprechen.
Wie definiere ich als Unternehmen meinen Purpose?
Einen Purpose kann man nicht erfinden wie einen Werbeslogan, er muss ergründet werden – und das ist ein teils langwieriger Prozess. Als Ausgangspunkt lohnt es sich, sich auf den Ursprung des Unternehmens zu besinnen. Warum wurde es gegründet? Was war das höhere Ziel? Obgleich sich die anfängliche Vision nach Jahren oder gar Jahrzehnten von Unternehmensgeschichte oft gewandelt hat, liefert die Ursprungsidee häufig einen Hinweis auf das heutige „Warum“ des Unternehmens. Daran anknüpfend kann man umfangreiche Umfragen unter den Mitarbeitern durchführen und ergründen, was sie an dem Unternehmen begeistert, was sie dazu motiviert, jeden Morgen zur Arbeit zu kommen und was sie zu Bestleistungen antreibt. Auch Kunden oder Konsumenten können mit einbezogen werden. Durch ihre außenstehende Position haben sie einen unverstellten Blick darauf, was das Unternehmen ausmacht und von den Wettbewerbern abhebt. Nach dieser gründlichen Recherchearbeit muss untersucht werden, an welcher Stelle der Wertschöpfungskette Beiträge zum Gemeinwohl integriert werden können. Bei manchen Unternehmen sind die Anknüpfungspunkte aufgrund des hergestellten Produkts klar. In der Ernährungsbranche bietet sich z.B. das Ziel an, den Hunger auf der Welt zu reduzieren. Bei anderen Unternehmen ist das nicht so deutlich. Da gilt abzuwägen, was am besten zu einem passt und in die Wertschöpfungskette integriert werden kann. Erst nach dieser ganzen Vorarbeit kann der Purpose formuliert werden. Wichtig sind hierbei 3 Kriterien: Dass er authentisch ist, dass er tatsächlich einen Unterschied macht auf der Welt und dass er langfristig angelegt ist. An letzter Stelle des Prozesses folgt schließlich der schwerste, aber entscheidende Schritt: Den Purpose ernsthaft zu implementieren und ab diesem Zeitpunkt jedes Handeln und jede Entscheidung an diesem auszurichten. Denn nur so können sich die oben genannten positiven Wirkungen entfalten.
Der Weg zu einem gelebten Purpose ist also nicht einfach. Es ist eine Selbstfindungsreise, auf die sich ein Unternehmen ganz bewusst begeben muss. Am Ende stehen nicht selten größere Veränderungen und das erfordert einiges an Mut. Doch es lohnt und zahlt sich langfristig aus: Durch mehr Motivation, mehr Zielstrebigkeit, größere Innovationskraft und mehr Profit.